„Der Verwechsling. Ein skandinavisches Märchen“ – Kai Lüftner
So ein besonderes Bilderbuch hattet ihr selten in den Händen. Ich habe es nicht geschafft, es mit trockenen Augen zu Ende zu lesen – aber das muss man auch nicht. „Der Verwechsling. Ein skandinavisches Märchen“ von Kai Lüftner ist eine sehr emotionale und berührende Geschichte über ein Kind, das nicht in diese Welt gehört und ein Paar, das es mit offenen Armen und voller Wärme im Herzen aufnimmt. Das Ganze ist traumhaft schön und sehr atmosphärisch illustriert von Emilia Dziubak.
Am Rand einer Klippe steht ein kleines, gemütliches Häuschen, das schon seit vielen Jahrzehnten Wind und Wetter trotzt. Dort leben Per und Tove, die auch schon viele Lebensjahre hinter sich haben. An einem verschneiten Wintertag finden die beiden bei einem Spaziergang im Wald einen kleinen Jungen, der dort einfach so mitten im Wald sitzt. Das ungefähr zwei Jahre alte Kind weint nicht und sagt auch sonst kein Wort. Die beiden nehmen in mit in sein Haus und versorgen ihn mit dem Nötigsten. Da niemand zu wissen scheint, wohin das Kind gehört, darf Vilmar bei ihnen bleiben – und lebt nun schon seit fünf Jahren dort. Die beiden Alten kümmern sich liebevoll um ihn, bringen ihm bei, wie man schnitzt und Pflanzen unterscheidet und sind sehr glücklich mit ihrer neuen Lebenssituation.
Schnell wird klar, dass sich Vilmar von anderen Kindern unterscheidet. Er spricht nicht, wächst nur sehr langsam und schaut oft mit einem sehnsuchtsvollen Blick auf das tosende Meer hinaus. Die Nähe anderer Kinder sucht der Junge nicht. Bücher dagegen liebt er sehr und liest alles, was er in die Hände bekommt. Im Haus hilft er viel und gerne und erledigt trotz seiner geringen Größe schwere Arbeiten. Als die Familie am Weihnachtstag am Strand entlang läuft, treffen sie auf einen alten, verschlossenen Nachbarn, der Vilmar mit wenigen Worten ein Buch überreicht. Das Kind vertieft sich zuhause sofort in die Erzählungen von alten Sagen, Mythen und Unterirdischen, springt nach der Lektüre auf, umarmt Per und Tove – und verschwindet. Den beiden Alten geht ein Licht auf und sie sehen die Parallelen zwischen ihrem Ziehsohn und der anderen Welt.
Auch am nächsten Morgen ist Vilmar immer noch weg. Dafür steht der Nachbar vor der Tür und erklärt ihnen einiges. Genau wie er selbst ist der Junge ein Verwechsling – ein Kind aus der anderen Welt, das bei einem Ausflug zu den Menschen vergessen wurde. Nur fünf Jahre hatte er Zeit, wieder in seine Welt zurück zu kehren. Er hatte es damals nicht geschafft, Vilmar nun schon. Per und Tove verbringen den Winter nun wieder zu zweit- sehen aber immer wieder Hinweise darauf, dass Vilmar sie ab und an besucht und kleine Geschenke bringt.
Dieses Bilderbuch ist ganz besonders: ruhig und poetisch erzählt, dabei ganz besonders atmosphärisch und berührend. Die Geschichte wird erzählt in Anlehnung an eine alte nordische Sage.