„Orko Bello“ – Fabrizio Silei
In manchen Familien haben es Kinder nicht leicht, die Erwartungen der Eltern zu erfüllen. Viele möchten, dass Kinder in ihre Fußstapfen treten, diejenigen Dinge mögen, die sie selbst mögen und am besten so werden, wie „die Gesellschaft“ es gerne hätte. Und wenn ein Kind sich dann anders entwickelt als „gewünscht“, dann ist es sehr unterschiedlich, wie die Eltern darauf reagieren. Der Vater von „Orko Bello“ im neuen Buch von Fabrizio Silei ist vom ersten Tag an enttäuscht von seinem Sohn – denn schon kurz nach der Geburt wird klar, dass dieser unglaublich hübsch ist. Welch eine Schmach für den Bürgermeister der Monsterstadt!
Worum geht es?
Ein hübsches Kind
Grollbold ist der Bürgermeister von Monstera und ein richtiges Vorzeigemonster, das alle anderen Bewohner bewundern. Er ist hässlich, stinkt, rülpst und ist Meister im Mäuseaufschlitzen. Er hat eine wunderbar grässliche Frau und zwei stinkige Töchter. Bei der dritten Schwangerschaft hofft er nun auf einen Sohn, den er auch bekommt. Doch schon die Hebamme muss ihm mitteilen, dass sie sowas noch nie gesehen hat: sein Sohn ist außerordentlich hübsch und hat nach der Geburt niemanden, wie üblich, gebissen, sondern Küsse verteilt. Grimmgrird, die Mutter, ist trotzdem überglücklich und nennt ihn Orkobello. Grollbold ist am Boden zerstört, versteckt seinen Sohn, macht von ihm keine Fotos und macht seiner Frau Vorwürfe. Doch irgendwann arrangiert er sich damit, zeigt seinen Sohn in der Öffentlichkeit und bekommt immer wieder Mitleid und tröstende Worte.
Keine leichte Kindheit und Jugend
Später in der Schule ist er meist der Schlechteste in der Klasse (er kann nicht gut Rülpsen) und wird von seinen Mitschüler*innen gemobbt. Sein Vater versteht nicht, wie er Blumen mögen kann und nicht seine Mäusesuppe essen mag und macht ihm viele Vorwürfe. Um ihn zu einem richtigen Monster zu machen, nimmt sein Vater Orkobello eines Tages, als er etwas älter ist, mit nach Mailand – vielleicht finden sich dort ein paar Menschen, die man fressen kann. Und er ist tatsächlich schwer begeistert von der großen Stadt, aber aus anderen Gründen, als sein Vater es gerne gehabt hätte.
Orkobello sieht sie vielen Boutiquen und Modezeitschriften und ist sowohl von den hübschen Menschenfrauen als auch von der tollen Mode sehr begeistert. Seitdem hängt sein Zimmer voller Menschenposter und er fängt an, selbst Kleidung zu entwerfen, sie seine Mutter für ihn trägt. Grollbold wird immer wütender, vor allem, weil seine politischen Widersacher sich immer mehr über ihn und seinen „seltsamen“ Sohn lustig machen. Als der Bürgermeister deswegen versucht, eine Verlobung zwischen Orkobello und der überaus hässlichen Tochter seiner Sekretärin auszumachen, macht sein Sohn seine Meinung endlich deutlich. Er ist so, wie er ist und möchte nicht verbogen werden.
Auf nach Mailand
Als die Situation im Dorf endgültig eskaliert, beschließt Orkobello, zum Modedesign- Studium nach Mailand zu ziehen. Seine Familie begleitete ihn etwas traurig zum Zug und auch sein Vater versteht seinen Sohn zum ersten Mal so wirklich. Den aufgebrachten Bewohnern von Monstera macht er auch endlich deutlich, wie ungerecht diese, aber auch er, die ganze Zeit zu Orkobello waren. Dieser fühlt sich dort endlich wirklich wohl und findet auch irgendwann eine Menschenfreundin, die er aufrichtig liebt.
Nach langem Hin und Her kommt es zu einem Treffen zwischen Orkobello und seiner Freundin mit beiden Familien. Er bittet seine Eltern und Schwestern den anderen nicht zu verraten, dass sie Monster sind. Und zunächst läuft das Treffen in einem kleinen, zum Glück dunklen Restaurant auch ganz nach Plan, doch dann haben die Monsterschwestern sehr viel Hunger auf den kleinen Hund der Schwiegerfamilie, Grollbold hält es kaum in der Menschenkleidung aus und das Parfum kann irgendwann den Monstergeruch nicht mehr überdecken. Klar, dass die Schwiegerfamilie samt der Verlobten entsetzt sind! Ob es für Orkobello trotz allem noch ein Happy End geben wird? Das müsst ihr selbst lesen!
So hat es uns gefallen
Die Thematik, dass Eltern möchten, dass sich ihre Kinder ganz nach ihren Wünschen entwickeln, ist schon immer aktuell und wird es wohl auch immer bleiben. Bei Orkobello ist es ein extrem schwieriges Verhältnis zu seinem Vater, das sich durch das ganze Buch zieht. Er ist so ganz anders als alle anderen aus seiner Familie und aus seinem ganzen Umfeld und sein Vater reagiert sehr heftig darauf. Beim Lesen zuckt man schon manchmal zusammen, wenn Grollbold sich für seinen Sohn stark schämt, ihn als Baby nicht fotografieren möchte und ihm ständig Vorwürfe macht – für etwas, wofür Orkobello nichts kann. Das muss vielleicht manchen Kindern beim (Vor-) Lesen erklärt bzw. thematisiert werden.
Als Orkobello älter wird, wird auch klar: er möchte daran auch nichts ändern. Das Verhalten seiner Mitmonster ekelt ihn an, er ist wie er ist, und das ist auch gut. Das ist dann vielleicht auch die zentrale Botschaft des Buches. Sei, wie du sein möchtest, auch wenn dein Umfeld dich gerne anders hätte. Und zum Glück findet Orkobello in Mailand dann auch eine Frau, die das ebenso sieht wie er. Auch wenn sie den Monsterschock erst einmal etwas verdauen muss. Und ein zweites Glück ist, dass Grollbold auch irgendwann merkt, dass sein Verhalten dem Sohn gegenüber nicht in Ordnung war und ihn sehr gekränkt hat. Ea fällt ihm schwer, aber nach und nach akzeptiert er immer mehr, dass sei. Sohn so ist, wie er ist. Wir empfehlen das Buch, das gespickt ist mit witzigen schwarz- weiß Illustrationen, für Kinder ab ca. 8 Jahren.
Fabrizio Silei, Fabrizio di Baldo (Illustrationen), Orko Bello, aus dem Italienischen von Ingrid Ickler, Knesebeck Verlag 2020.