„Wenzel und die wilden Räuber“ – Cornelia Franz
Ein Buch wollten wir euch schon lange mal zeigen, vor allem, weil immer wieder die Fragen nach schönen längeren Vorlesebüchern kommen. Die spannende und vielschichtige Geschichte rund um „Wenzel und die wilden Räuber“ von Cornelia Franz konnte uns sehr begeistern und das nicht nur, weil wir alles mögen, das in die Richtung „Robin Hood“ geht.
Eine Räuberbande mit viel Herz
Flucht aus dem Kloster
Wenzel und er jüngere Ulle sind im Wald und sammeln Feuerholz für das Kloster, in dem sie als Findelkinder wohnen und dessen Eigentum sie sind. Dort regierte Bruder Herwig mit strengem Regiment. Von morgens bis abends müssen sie hart arbeiten und wirklich satt werden sie nie. Eines Tages beschließt Wenzel, dass er das nicht weiter aushalten kann, nicht ins Kloster zurück kehren und sein Glück alleine versuchen wird. Das Leben muss doch noch etwas Besseres für ihn haben?! Ulle ist nicht ganz überzeugt, doch als er bei seiner Rückkehr vom Abt verprügelt wird, nimmt auch er Reißaus. Und das nicht, ohne noch ein paar Decken und Essen mitzunehmen.
Beide überlegen, dass sie im Wald bleiben werden, denn dort können sie sich am Besten vor dem Abt verstecken. Sie streifen durch das Dickicht und an einem Bach entlang, wo sie plötzlich Rufe hören. In einem kleinen Fass hängt am Ufer ein Mädchen, dass aus den Fluten gerettet werden muss. Sie stellt sich als Anne vor, die nach einem Raubritter- Überfall auf ihre Heimatburg fliehen musste. Was mit ihrem Bruder Jakob und dem Vater geschehen ist, weiß sie nicht und ist deswegen voller Sorge. Sie ziehen weiter durch den Wald, bis sie ein Pony mit Reiter erblicken, der sich glücklicherweise als Annes Bruder herausstellt. Gemeinsam beschließen die vier, dass die ihr Glück zusammen versuchen wollen: als echte Räuberbande!
Im Wald da sind die Räuber
Nach dem Entschluss geht alles ganz schnell: ein Räuberquartier wird eingerichtet und man legt sich auf die Lauer, um die erste Kutsche zu überfallen, die den Waldweg entlangfährt. Doch es klappt nicht so wie erwartet, sie erbeuten keine Reichtümer, sondern eine Mädchen im schicken Kleid, das aus der Kutsche fällt. Elsbeth berichtet, dass sie einer verarmten Adelsfamilie angehört und gerade mit einem gewissen Egbart verheiratet werden. Den mag sie allerdings gar nicht und ist fast froh, der Kutsche entkommen zu sein. Also hat die Räuberbande nun noch ein neues Mitglied und das Ziel des nächsten Überfalls steht auch schon fest: der dumme Egbart!
Endlich vollzählig und nun los
Dieses Mal gelingt der Überfall, die bringen die Kutsche zum Stehen und erbeuten einen Beutel mit Münzen. Als sie diese im nächsten in Essbares umgetauscht werden sollen, sehen sie zufällig, wie ein Junge von den Bewohnern heftig mit Steinen beworfen und vertrieben wird. Den müssen sie retten, ist doch klar. Und ebenso klar ist, dass Fritsche nun das sechste Mitglied der Räuberbande sein wird. Zusammen geht es weiter ans Pläne Schmieden und Grundsätze Aufstellen.
Alle sind sich einig, dass bei armen Leuten nicht geräubert wird, sondern nur bei welchen, die reich und auch noch blöd sind – so wie Egbart. Es geht rasant und auch dramatisch weiter. Die Räuberbande kommt kaum zum Räubern, weil sie in der Stadt und in den Dörfern soviel Elend bei den Menschen sehen. Dass diese Hilfe brauchen, ist klar. Gleichzeitig müssen sie sich weiter vor ihren Häschern verstecken und auch noch Gefangene aus den Händes eines Raubritters retten. Aber die tollste Räuberbande schafft alles!
Spannendes Abenteuerbuch mit Herz
Die Geschichte um eine Räuberbande, die im Wald lebt, von den Reichen nimmt und sich um die Armen kümmert, wird den meisten wahrscheinlich bekannt vorkommen. Das mindert das Lesevergnügen aber keineswegs. Die ganze Bande ist einem sofort sehr sympathisch, auch weil die Charaktere und ihre Schicksale so unterschiedlich sind. Der mutige Wenzel träumt von einem anderen Leben, für sich und auch für die Menschen grundsätzlich. Die Mehrheit schuftet, hungert und wird von einer Minderheit ausgebeutet – das hat er am eigenen Leib erfahren und möchte es nicht mehr so hinnehmen. Ulle ist jünger und unsicherer, aber auch er hängt sein ganzes Herz an die Sache. Anne ist mutig und entschlossen, aber auch in Sorge um ihren verschwundenen Vater. Und die adlige Elsbeth? Die mischt alles mit ihrem Kampf gegen die geplante Heirat wider Willen richtig gut auf.
Die Geschichte ist wirklich spannend, unterhaltsam und anrührend, Armut und Hunger der bäuerlichen Bevölkerung kommt häufiger zur Sprache und auch andere Ungerechtigkeiten. Vielleicht bedarf es da an der einen oder anderen Stelle Erklärungen zum mittelalterlichen Lehnssystem und auch Gesprächsbedarf zu gesellschaftlichen Ungleichheiten. Man erfährt grundsätzlich nebenbei so einiges Interessantes über mittelalterliches Alltagsleben. Das Buch ist durchgehend farbig illustriert, so dass es sich auch gut zum Vorlesen eignet. Das empfehlen wir aufgrund der Thematik für Kinder ab ca. 6 Jahren.
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Cornelia Franz, Sabine Wilharm (Illustration), Wenzel und die wilden Räuber, dtv junior Verlag 2019.