„Das ist doch nur für Mädchen!“ – Madlen Ottenschläger, Jennifer Coulmann
„Das ist doch nur für Mädchen!“ – Die meisten Eltern werden diesen Spruch (oder den in der Jungen – Variante) schon einmal gehört oder selbst gesagt bzw. gedacht haben. Geschlechterklischees begegnen uns im Alltag an vielen Stellen immer wieder, bewusst oder unbewusst. Da sind die Großeltern, die sich wundern, dass sich die Enkelin zum Geburtstag Autos wünscht und der Vater, der es verbietet, dass sich sein Sohn beim Ballett anmeldet. Viele Mädchen kommen erst gar nicht auf die Idee, dass Fußball ein schönes Hobby für sie wäre, weil es durch die Umgebung als „für Jungs“ abgespeichert haben. Das neue Bilderbuch von Madlen Ottenschläger und Jennifer Coulmann hinterfragt diese Klischees und bietet wundervolle Gespächsanlässe.
Als Mama sich mit Manni im Geschäft für Kinderkleidung umschaut, steht er ganz verzückt vor einem glitzernden roten Rock. Seine Mama macht ihm aber deutlich, dass sowas nur für Mädchen ist und kauft lieber die blaue Jeans. Als er wieder zuhause ist und zusammen mit Lina spielt, kümmert sie sich lieber alleine um die Frisur ihrer Puppe, weil diese Art von Spiel ihrer Ansicht nach nur für Mädchen ist. Matti geht also lieber in sein Zimmer und spielt mit seinen Dinosauriern. Genau so geht es auch im Kindergarten weiter: die Mädchen sitzen am Tisch und machen mit ihren Puppen ein Teekränzchen und Matti schaut immer wieder zu ihnen hinüber. Für seinen Freund ist aber klar, dass er bei ihnen, den Bauklötzen und der Ritterburg besser aufgehoben ist. Auch sein Papa macht ihm klar, dass er besser mit ihm ein paar Bälle ins Tor schießt anstatt mit den Mädchen Pirouetten zu drehen.
Als Manni aber eines Tages seinen Freund Paul auf einem Spielplatz trifft, stellt er verwundert fest, dass dieser einen Glitzerrock trägt. Man hatte ihm doch immer gesagt, dass das nur für Mädchen ist? Paul ist da ganz anderes Ansicht und trägt diesen ganz selbstbewusst. Ebenso ist es, als er Timur im Supermarkt trifft. Sein Freund hat eine Puppe in der Trage und schiebt seinen Plüschdino im Buggy vor sich her. Als die Kinder in Verkleidung in den Kindergarten kommen dürfen, hat sich Alessandro für ein Elfenkostüm entschieden – und gewinnt damit doch glatt den Pupswettbewerb.
Große Augen macht er auch, als er Lina das nächste Mal sieht. Sie trägt seit Neustem die Haare ganz kurz und schaukelt mit dreckigen Füßen im Garten hin und her. Sie versteht gar nicht, warum er sich wundert. Gemeinsam klettern und hüpfen sie, baden die Puppe und Lina macht Matti kleine Zöpfe. Er merkt so langsam, dass die Welt doch weiter ist als zuvor gedacht. Man kann gleichzeitig matschen und glitzern! Nach und nach verstehen das auch die anderen.
Durch das besondere Zusammenspiel von Text und eindrucksvollen Illustrationen wird der Zwiespalt zwischen den Jungen – und Mädchenklischees schnell deutlich. Die eine Seite des Kleidungsgeschäftes (und damit auch die Hälfte der Doppelseite) wird dominiert von den Farben Rot und Lila, auf der anderen findet man nur blau und grün. Ebenso sieht das Farbkonzept in den Kinderzimmern und im Kindergarten aus. Zusätzlich sehen wir zum einen Puppen, Pferde, Kronen und Plüschtiere, zum anderen Holzschwerter, Burgen, Dinos, Autos und Fußbälle. Nach und nach kommt sein Bild, das ihm von den anderen eingeprägt wurde, aber ins Wanken. Manni erkennt, dass es nicht nur zwei Seiten gibt, sondern man kunterbunt wählen kann, was einem wirklich gefällt. Auf den Bilder der letzten Doppelseite sieht man gut, dass auch z.B. seine Eltern ihre Ansicht ändern.
Madlen Ottenschläger, Jennifer Coulmann, Das ist doch nur für Mädchen!, Carlsen Verlag 2023.