
„Muss ein Wildschwein wirklich wild sein?“
Manche Menschen erfüllen einfach nicht die Erwartungen, die, aus welchen Gründen auch immer, an sie gestellt werden. Leiser oder lauter als erwartet, andere Interessen als „üblich“ – das ist nicht immer ganz leicht. Ein kleines Wildschwein kann das auch nachfühlen und muss sich immer wieder rechtfertigen. Das liebenswert illustrierte Bilderbuch „Muss ein Wildschwein wirklich wild sein?“ von Katja Frixe und Julia Bierkandt widmet sich der Thematik, dass jede*r so sein sollte, wie er oder sie nunmal ist und dass man sich nicht verstellen muss, um akzeptiert zu werden. Das Buch passt für Kinder ab 4 Jahren.

Das kleine Wildschwein Bork freut sich schon sehr. Nach einem Regenschauer gibt es endlich wieder Matschpfützen, in denen er sich so gerne wälzt. Doch seine Schwester Butterblume hat keine Lust darauf. Sie hat es sich gerade mit einem weichen Kissen in der Sonne gemütlich gemacht und möchte einfach ein bisschen vor sich hin träumen und die Aussicht genießen. Bork kann nicht verstehen, dass das Spaß machen kann und dass man dafür auf Matsch verzichtet! Am nächsten Tag bitten auch Mama und Papa das kleine Schwein um ein Gespräch. Sie machen sich Sorgen, weil Butterblume nicht so wild ist, wie es Wildschweine üblicherweise sind. Auch wenn sie sagt, dass sie sich einfach nicht wild fühlt, sind sich alle sicher, dass sie das im Kindergarten schon lernen wird.

Dort angekommen merkt sie sofort, dass es ganz schön turbulent zugeht. Viel zu laut und wild für ihren Geschmack! Trotzdem bittet sie verschiedene Tierkinder ihr zu zeigen, wie Wildsein funktioniert. Sie klettert auch einen Baum (aber nur einen Ast hoch), versucht zu brüllen und durch das Unterholz zu jagen. Alle anderen haben Spaß, nur sie fühlt sich nicht wohl. Das merkt die Erzieherin und fragt sie, was sie gerne macht. Butterblume liebt es, sich Geschichten auszudenken und Rosi schlägt vor, dass sie darin auch wild sein kann. Als sie dann eine davon erzählt, hören ihr alle begeistert zu. Am Ende des Kindergartentages wird es dann doch noch wilder, als sich ihr Bruder unter einem Ast einklemmt und sie ihn befreit.

Wir haben hier eine liebevolle und herzliche Geschichte, in der mit Feingefühl erzählt wird, dass man zu sich selbst stehen sollte und dass es völlig in Ordnung ist, andere Interessen „als üblich“ zu haben. Die fröhlichen und niedlichen Illustrationen werden auf jeden Fall Kleinen und Großen gefallen. Butterblume mag es gar nicht laut und wild, was zunächst auch in ihrem engen Umfeld für Unverständnis sorgt. Die Eltern sind sich sicher, dass das schon mit der Zeit kommen wird. Auch das Mädchen hat das Gefühl, dass sie sich nun anstrengen muss, dem Wunsch zu entsprechen und versucht so einiges. Doch sie merkt, dass es einfach nicht passt und bekommt auch noch Unterstützung durch die Erzieherin. Diese ermutigt sie, auf ihre eigenen Stärken zu schauen und nicht zu versuchen, anders zu werden. Eine schöne Botschaft! Ich hätte es vom Grundkonzept fast schöner gefunden, wenn die Rollen anders gewesen wären und wir einen ruhigen, Geschichten liebenden Bruder und eine wilde, im Matsch wühlende Butterblume gehabt hätten. So bleibt ein wenig das „wilder Junge, ruhiges Mädchen“ – was aber natürlich auch völlig in Ordnung ist. Die Rettung des Bruders, um zu zeigen, dass sie auch „wirklich wild“ sein kann, hätte es für mich für die Intention der Geschichte gar nicht mehr unbedingt gebraucht.
Katja Frixe, Julia Bierkand, Muss ein Wildschwein wirklich wild sein?, Penguin Junior Verlag 2025.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.