Bilderbuch ohne Text: „Ausflug zum Mond“ – John Hare
Ein Kinderbuch ohne Text, das kein Wimmelbuch ist und sich nicht an die ganz Kleinen unter zwei Jahren richtet, ist doch manchmal ein schwieriges Unterfangen. Das Buch muss Kinder so fesseln, dass sie auch ohne die üblichen Texte folgen möchten, die Illustrationen müssen die komplette Geschichte alleine tragen. Mit „Ausflug zum Mond„* von John Hare ist ein ganz wunderbares Bilderbuch erschienen, dass ohne Worte eine Geschichte über Fremdsein und Kontaktaufnahme erzählt.
Inhalt
Schon auf dem Cover des Buches startet die Erzählung: Kinder in Raumanzügen besteigen zusammen mit einem Lehrer ein Raumschiff. Dieses startet von einer Raumstation und landet auf dem Mond. Die Schulklasse (so lässt sich zumindest vermuten) unternimmt dort einen Ausflug und erkundet die Gegend. Ein Kind läuft dabei, ausgestattet mit bunten Stiften und einem Notizblock, mit etwas Abstand hinter der Gruppe her. Der Erwachsene zeigt und erklärt, die anderen Kinder hören ihm zu. Das Kind mit den Stiften schaut stattdessen auf die Erde, die am schwarzen Himmel strahlend sichtbar ist. Es setzt sich etwas abseits der anderen hin und fängt an, diese zu zeichnen. Irgendwann schläft es ein und bemerkt nach dem Aufwachen, dass die Gruppe verschwunden ist. Es rennt schnell zum Standort des Raumschiffes, doch das startet gerade.
Als kein Winken hilft, setzt das Kind sich hin und beginnt konzentriert an zu zeichnen. Es bemerkt nicht, dass es dabei beobachtet wird. Kleine Männchen in derselben grauen Farbe wie die Umgebung erscheinen, werden größer, holen andere herbei und stehen irgendwann begeistert hinter dem malenden Kind. Als es sich umdreht, ist der Schreck erst groß, aber als das Kind ihnen das gemalte Bild eines bunten Regenbogens zeigt und die Stifte zum Ausprobieren anbietet, ist das Eis gebrochen. Die grauen Wesen malen sich und die graue Umgebung vier Freude bunt, nur der graue Stift bleibt in der Packung.
Als das Raumschiff zurück kehrt und der Lehrer raus kommt, um das Kind zu holen, verstecken sich die Wesen. Das Kind umarmt freudig den Erwachsenen, der noch die bunten Bilder auf den Steinen entdeckt. Das Kind muss diese wieder wegwischen und wirkt etwas betrübt darüber, winkt aber trotzdem noch seinen neuen Freunden zum Abschied. Im Raumschiff, jetzt ohne Helm auf dem Kopf, malt der Junge sofort ein Bild der Wesen – mit dem einzig verbliebenen, grauen Stift.
Fazit
Das Buch hat mich auf zweierlei Weise sehr beeindruckt: zum einen finde ich das Spiel mit den Farben bzw. auch die Bedeutung der Farben für den Verlauf der Geschichte faszinierend. Das Buch ist nicht sehr farbig gehalten. Der Hintergrund, die Seiten des Weltalls, ist schwarz, die komplette Mondlandschaft ist grau, die Anzüge der Menschen weiß und schwarz mit nur einem roten Streifen. Nur das gelbe Raumschiff und der wunderschöne, blau-grüne Planet Erde am Himmel stechen heraus. Als der Junge anfängt zu malen, kommen die Farben der Stifte dazu, die dann auch später die Mondbewohner sehr erfreuen. Nur den grauen Stift rühren sie nicht an, als der Junge ihnen seine Stifte anbietet.
Die Geschichte kommt wunderbar ohne Worte aus und, mit Ausnahme der letzten Seite, sogar ohne Gesichtsausdrücke der Menschen. Trotzdem werden die Gefühle aller Beteiligten gut sichtbar: Furcht vor dem zurückgelassen Werden, Aufregung und Faszination bei den Mondbewohnern, Interesse der Fremden untereinander und ihre netten Gesten, mit denen sie sich näher kommen und Freude beim Wiedersehen mit dem Lehrer. Geeignet ist das Buch für Kinder ab ca. 4 Jahren, wobei man hier vielleicht noch etwas mehr erklären muss. Mein Sechsjähriger war ganz begeistert von der ruhigen, gefühlvollen und bildstarken Geschichte.
John Hare, Ausflug zum Mond, Moritz Verlag 2019
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Das Buch klingt wirklich faszinierend und berührend. Ich finde es beeindruckend, wie die Geschichte ohne Worte auskommt und die Farben eine so wichtige Rolle spielen. Würden Sie dieses Buch auch für Kinder unter 4 Jahren empfehlen?