„Dämönchen“ – Kai Lüftner, Wiebke Rauers
Ich mag Kinderbücher, die sich aus der großen Menge, die jährlich erscheint, abheben, die sofort auffallen und bei denen man sofort sagen kann: „Das ist besonders.“ Bei den Büchern von Kai Lüftner und Wiebke Rauers ist das eigentlich immer der Fall.
Ihr neustes Werk „Dämönchen“ vereint wieder geniale Illustrationen mit poetischer Sprache und einer Botschaft, die für Kinder ab 4 Jahren (je nach Kind!) und Erwachsene gleichermaßen wertvoll ist. Alleine schon das Cover ist ein wirklicher Blickfang, so dass man das kleine düstere Wesen einfach in sein Herz schließen muss.
Von der Unterwelt hoch ans Licht
Zunächst erfahren wir, dass es eine Welt voller kleiner und großer Dämonen gibt, die unter der Erdoberfläche verborgen ist. Die Mythen der Menschen erzählen davon, aber trotzdem bleibt diese für uns unvorstellbar. Dort lebt auch ein Wesen, das ein wenig anders ist als der Rest der Dämonen. Es ist nicht glücklich mit dem eintönigen Leben dort und verrichtet missmutig Tag für Tag mit dem gleichen Blick seine Arbeit. Immer dabei an einer Leine ist sein Fliegengefährte, der ihm Trost spendet.
Eines Tages zerreißt diese Leine und die Fliege verschwindet durch ein kleines Loch an die Oberfläche – in die Menschenwelt. Dämönchen folgt ihr und findet sich in einer unbekannten Welt wieder, die ganz anders aussieht als die ihm bekannte. Das helle Licht am Himmel blendet ihn, aber er wagt sich auf seinen Stock gestützt die Straßen entlang, um seinen Freund zu finden. Nach und nach verliert er seine Angst und genießt die neue Umgebung. Sein Herz sagt ihm, dass diese genau richtig für ihn ist und nicht die üblichen Wege, die er einst beschritten hat. Der Weg dahin war nicht leicht, aber er hat sich sehr gelohnt. Also: Warum nicht öfter mal neue Wege wagen?
Ein ganz besonderes Bilderbuch
So eine schöne Botschaft. So viele von uns laufen auf scheinbar fest vorgegebenen Wegen und sind nicht glücklich dabei. Einen neuen zu gehen ist nicht leicht, aber die Mühen sind es oft wert! So wird Dämönchen an der Erdoberfläche, in einer ganz anderen Welt, erst richtig glücklich. Der Text ist gereimt, auf die ganz besondere Art und Weise, die man von Kai Lüftner kennt.
Diese Reime und die Sprachmelodie haben eine andere Qualität, als man sie in vielen Kinderbüchern liest. Deutlich komplexer – auch für die Vorlesenden – und sehr an Poesie und alte Gedichte erinnernd. Aber genau das kann man auch schon Kindergartenkindern zutrauen! Selbst wenn sie nicht jede Redewendung kennen – was gibt es Besseres, als den Wortschatz zu erweitern und das Sprachgefühl der Kinder zu stärken. Genau das machen solche Bücher. Gerne mehr davon! Die Illustrationen sind einfach wundervoll für Kinder und Erwachsene. Düster trifft auf hell und freundlich, was gleichzeitig Gegensatz und Einheit bilden kann.
Meiner Meinung nach gehört diesem Buch, eine Altersfreigabe weit über 6 Jahre verpasst und darüber hinaus aus jeglicher pädagogisch arbeitenden Institution verbannt. Die grausamen Bilder taugen zum Alpträume auslösen und die Geschichte suggeriert völlig gegenteilig, dies solle man auch noch niedlich finden.
Dazu hat die satanistische Symbolik im Kinderzimmer sowie in Bildungseinrichtungen wie Kindergärten oder Ganztagesbetreuungen nichts verloren. Da mag die Massage hinter der Geschichte noch so gut gemeint sein.
Warum muss es ausgerechnet ein Dämon sein, der neue Wege geht? Sollen wir uns die Dämonen aus der Unterwelt nun als Vorbilder nehmen? Das will ich für mein Kind sicher nicht! Irgend eine andere arme Kreatur hätte es für diesen Entwicklungsschritt und die Story auch getan. Ich bin wirklich jedem Menschen gegenüber, offen und tolerant, aber Dämonen – ob zu Dämönchen verniedlicht oder nicht – brauch ich nicht ins Herz schließen. Was wollen wir denn mit so einem Buch den Kindern vermitteln? Tut das bitte keiner Kinderseele an! Bitte! Und das Dämonen-Liebhaben empfehle ich auch keinem Erwachsenen.