„Das Delfinmädchen“ – Karin Müller
Seid ihr mit euren Kindern schonmal in einen anderen Ort gezogen? Oder sogar in ein anderes Land? So ein Umzug hat immer zwei Seiten: zum einen lässt man Gewohntes und vielleicht auch Geliebtes zurück. Freunde, Familie, Orte, die man so gut kannte und Abläufe, die immer gleich waren und Sicherheit gaben. Zum anderen ist da auch viel Aufregung und Spannung dabei. Was wird eine an dem neuen Ort erwarten? Wie sind die Menschen dort und findet man schnell neue Freunde? Marie aus „Das Delfinmädchen“ geht es ähnlich, als sie mit ihren Eltern auf eine spanische Insel ziehen muss und das alles zunächst recht widerwillig annimmt.
Darum geht es
Auf in ein neues Zuhause
Marie ist schlecht gelaunt, denn nun ist der Augenblick gekommen, den alle schon lange vorbereitet haben. Sie stehen auf einem Schiff, dass ihre Eltern und sie auf eine spanische Insel bringen wird, auf der sie von nun an wohnen werden. Sie wurde von keinem gefragt und ihre Gedanken hängen vor allem bei ihrer Freundin zuhause und bei dem möglichen Sonnenbrand, den sie dort bekommen könnte. Marie richtet sich ein wenig häuslich ein, zeichnet die Geckos, die bei ihnen wohnen und hakt in ihrem Tagebuch die „überlebten Tage“ ab. So langsam fängt sie an, die Gegend um das Haus herum zu erkunden.
Neue Bekanntschaften
Bei einem solchen Erkundungsgang findet sie eine ruhige Bucht, die ihr besonders gut gefällt, nicht nur, weil man dort Delfine beobachten kann. Dort trifft sie auf Carlotta, ein fröhliches spanisches Mädchen, das zusammen mit ihrem Hund anscheinend auch gerne diese Bucht besucht. Carlotta kann wunderbar tauchen und zeigt der überraschten Marie, dass sie schon seit Längerem Freundschaft mit den Delfinen geschlossen hat. Marie findet Carlotta interessant und freundlich, ist sich aber bewusst, dass sie sich ganz anders verhält als sie selbst. Marie denkt viel über Risiken und Krankheiten nach und hat ihren Rucksack gepackt mit Desinfektionsmitteln und Mullbinden – sicher ist sicher.
Der Streit
An einem Tag werden die Unterschieden zwischen den beiden Mädchen besonders deutlich. Carlotta ist völlig übermütig am Strand und zieht Marie gegen ihren Willen mit ins Wasser. Sie ist entsetzt und hat Angst, krank zu werden. Das geschieht zum Glück nicht und Carlotta kommt am nächsten Tag vorbei, um sich zu entschuldigen. Marie sieht sie nicht persönlich und hat dann in den nächsten Tagen auch keinen Kontakt zu ihr. Und irgendwie fehlt ihr die neue Freundin doch ein bisschen.
Eines Tages sieht sie Carlottas Hund in einem nicht wirklich guten Zustand am örtlichen Fischgeschäft stehen. Dort erfährt sie auch, das ihre Freundin momentan mit einem gebrochenen Arm bei den Großeltern weilt und dass der Hund aus Trauer kaum etwas frisst. Marie darf ihn zum Aufpäppeln mit sich nach Hause nehmen.
Das Wiedersehen
Endlich kann Marie sich wieder mit ihrer Freundin treffen, auch wenn diese den Arm noch in Gips hat. Aber das hält sie nicht davon ab, zu zweit ein altes, gestrandetes Boot zu reparieren, das sie zufällig gefunden haben. Sie arbeiten fleißig zusammen und Marie schob ihre Ängste vor rostigen Nägeln und Holzsplittern beherzt zur Seite. Als das Boot endlich fahrbereit ist, entdecken sie etwas, das ihnen große Sorgen macht. Alle Delfine sind gleichzeitig aus der Bucht verschwunden, was laut Carlotta äußerst ungewöhnlich ist. Schnell hat sie ihren Onkel in Verdacht, der schonmal Delfine gefangen hat, um sie Touristen zu zeigen. Um dem Ganzen auf die Schliche zu kommen, braucht sie unbedingt Maries Hilfe…
So hat es uns gefallen
Schon von Anfang an fühlt man von Seite zu Seite mit Marie mit. Sie wäre lieber zuhause geblieben, anstatt mit ihren Eltern auf die unbekannte Insel zu ziehen. Dort angekommen, treiben sie so allerlei Ängste um: sie hat beispielsweise Angst vor Hautkrebs durch zu viel Sonneneinstrahlung, Sorge vor Verletzungen durch Stürze und Furcht vor Schiffsuntergängen. Sie hat immer Desinfektionsmittel und Verbände dabei und wundert sich, warum ihre Freundin bei ihren Aktionen sich nicht öfter verletzt.
So ganz klar wird zunächst nicht, warum Marie so denkt. Ihre Eltern nehmen ihre „Ticks“ schulterzuckend hin und auch ihre neue Freundin Carlotta weiß spätestens nach dem großen Streit, wie sie damit umgehen muss. In einem kurzen Absatz erfährt man dann ein wichtiges Detail: Marie scheint einmal in großer Gefahr gewesen zu sein, als sie beim Schlittschuhlaufen ins Eis eingebrochen ist. Hier hätte ich mir tatsächlich ein paar mehr Erklärungen gewünscht, warum sie in so vielen Dingen so anders und „erwachsener“ ist als andere Kinder in ihrem Alter.
Marie muss am Ende dann aber doch ziemlich über sich hinaus wachsen, um die Delfine auf der Falle zu retten. Das schafft sie auch mit viel Mut und Selbstüberwindung, was sie auch sehr stolz macht. Was mir aber besonders gefallen hat, ist die Tatsache, dass Marie nach diesem Ereignis nicht plötzlich das wilde, wagemutige Mädchen ähnlich wie Carlotta ist, sondern trotzdem vorsichtig bleibt. Das hätte auch nicht zur ganzen Geschichte gepasst.
Karin Müller, Marie Braner (Illustration), Das Delfinmädchen, Coppenrath Verlag 2020.