„Das Wunder von R.“ – Francesca Cavallo
Es gibt solche Bücher, die man in den sozialen Medien immer und immer wieder sieht oder die einem ganz besonders auffallen. „Das Wunder von R.“ von Francesca Cavallo gehört in den letzten Wochen definitiv dazu. Schon im Vorwort wird klar, dass die Autorin mit diesem Buch zwei Ziele erreichen möchte: zum einen natürliche, eine herzerwärmende Weihnachtsgeschichte zu erzählen. Zum anderen möchte sie aber auch darauf aufmerksam machen, dass Familie nicht immer gleichbedeutend mit Mutter, Vater, Kind ist, sondern dass diese ganz vielfältig und bunt sein kann. Und dementsprechend, das ist ihr klar, muss das auch so in Kinderbüchern vorkommen, damit zumindest diese Generation lernt, mit einem offeneren Blick auf die Vielfalt der Gesellschaft durch das Leben zu gehen.
Neu in der Stadt und ganz viel los
Zwei Tage vor Weihnachten kommt eine Familie in die Stadt R., die aus ihrer alten Heimat fliehen musste. Dort gelten Familien wie ihre, die aus zwei Mamas und drei Kindern bestehen, nun als illegal. Aber Dominique und Isabella haben beschlossen, das Beste daraus zu machen und nun in dieser Stadt, in der laut Werbung nie etwas Schlimmes passiere, ihr Glück zu versuchen. Schon am Bahnhof lernen sie ein Mädchen kennen, dass in ihrer Nähe wohnt. Ansonsten scheinen die Bewohner*innen der Stadt allerdings sehr verschlossen und möchten mit Fremden nichts zu tun haben. Das Nachbarmädchen, Olivia, teilt ihnen dieses in einer geheimen Botschaft mit. Sie dürfe nicht mit ihnen reden, verrät ihnen aber etwas von einem Funkkanal der Kinder, auf dem frei gesprochen werden kann.
Am nächsten Tag startet Isabella ihren neuen Job als Postbotin, auf den sie sich sehr freut. Doch auch hier sieht sie nur Leute, die abweisend sind und nicht mit ihr reden möchten. Aber eine gute Sache gibt es dennoch: in ihrer Posttasche findet sich Briefe für die Kinder, vom Weihnachtsmann. Darin steht, dass er von ihrem Umzug in diese Stadt gehört hat und dass er ihnen anbietet, ihm beim Verpacken der Geschenke für R. zu helfen. Natürlich sind alle sofort einverstanden! Und als dann der 24. gekommen ist, stehen schon die Elfen mit den Paketen vor der Tür. Sie packen und arbeiten alle ganz eifrig und es scheint, als liefe alles wie am Schnürchen, bis plötzlich misstrauische Bürger*innen von R. vor der Tür stehen. Als diese dann auch noch die Polizei rufen und die Elfen mit den Kindern verschwunden scheinen, läuft alles aus dem Ruder. Zum Glück ist da noch die mutige Olivia, die zur Hilfe eilt.
So gefällt uns das Weihnachtsbuch voller Vielfalt
Die Geschichte über eine Familie, die Schutz und Frieden in einer neuen Stadt sucht, aber zunächst nur Ablehnung und eine Mauer aus Schweigen erfährt, kann auf jeden Fall berühren. Die Familie hat schnell eine Wohnung und eine Arbeit, aber mit ihnen in Kontakt treten möchte niemand, nur ein Mädchen aus der Nachbarschaft – und die Wichtel des Weihnachtsmannes. Als dann am Abend vor Weihnachten dank des Misstrauens der Anwohner alles schief läuft, kommen die Kinder der Stadt ins Spiel, die der neuen Familie ohne Vorurteile begegnen. Mir ihrer Hilfe gelingt es, die Kälte und Ablehnung zu durchbrechen. Die Stadt R. erlebt ein noch nie dagewesenes Weihnachtsfest und endlich kommt etwas Bewegung in diese verschlafene Stadt.
Themen wie Fremdenfeindlichkeit und Homophobie werden in diesem Buch ganz nebenbei, ohne den erhobenen Zeigefinger und ohne belehrend zu wirken in den Fokus gerückt. Die Neuankömmlinge sind eine „Regenbogenfamilie“, die sich sympathisch und aktiv den Vorurteilen entgegen setzt. Dabei steht das Wohl der eigenen Kinder immer im Vordergrund, denen stehts sehr liebevoll begegnet wird. An der einen oder anderen Stelle wirkte es für mich ein wenig konstruiert, vor allem im Hinblick auf den Schwerpunkt Diversität.
So habe ich mich beispielsweise gefragt, ob man bei der Erzählung, nicht bei der direkten Rede, fast immer ein „Mama“ vor den Namen der Mütter setzen musste. Dass die Mütter so heißen, müssten die meisten Leser*innen nach wenigen Seiten wissen. Vielleicht stand dieser Schwerpunkt manchmal etwas mehr im Vordergrund als der grundsätzliche Hergang der Geschichte. Den Kindern ist dies jedoch nicht aufgefallen. Insgesamt aber definitiv eine liebevolle Weihnachtsgeschichte voller Vielfalt mit einem starken Plädoyer gegen Fremdenfeindlichkeit und für eine offene Gesellschaft,
Francesca Cavallo, Verena Wugeditsch (Illustration), Das Wunder von R., aus dem Italienischen von Daniela Papenberg, Mentor Verlag 2020.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.