„Ganz normal, oder?“ – Tom Percival
„Du bist doch nicht normal!!“ – Was solche Sätze bei Kindern anrichten können, kann man sich mit Sicherheit vorstellen. Angepasst sein, immer der „Norm“ entsprechen, bloß nicht auffallen und eigene Bedürfnisse und Besonderheiten unterdrücken – sind das alltägliche Dinge, ist Unglücklichsein fast vorprogrammiert. Mit „Ganz normal, oder?“ von Tom Percival ist nun ein bestärkendes und Mut machendes Bilderbuch erschienen, das eine klare Botschaft hat: Du bist gut, so wie du bist. „Normal“ gibt es nicht.
Tom ist, wie er ist
Norman ist ein ganz normaler Junge, der mit seinen Freund*innen im Garten spielt und gerne Eis isst. An einem ganz besonderen Tag aber geschieht etwas, mit dem niemand gerechnet hat. Norman wachsen ein Paar Flügel! Natürlich ist er zunächst erstaunt, probiert sie aber schnell aus und fliegt durch den Himmel! Dabei fühlt er sich unfassbar glücklich! Am Abend, als er wieder nach Hause muss, kommen aber die Zweifel. Was würden seine Eltern sagen, wenn er auf einmal so etwas Besonderes hat. Er zieht sich schnell eine Jacke an und versteckt diese darunter, so dass die Eltern sie nicht bemerken.
Den Plan zieht er weiter durch: in der Badewanne, beim Kindergeburtstag, auf dem Spielplatz – immer trägt er die Jacke, um die Flügel zu verstecken. Dabei fühlt sich das ganz unbequem und furchtbar warm an. Norman isoliert sich immer mehr von den anderen und bleibt mit seiner dicken Jacke mehr als Zuschauer am Rand. Als ihm ein gemeiner Junge die Jacke stehlen will, läuft er vor Scham und Wut davon und wünscht sich, er hätte diese Flügel nie bekommen. Als er dann traurig vor einer Mauer sitzt und nach oben schaut, entdeckt er mehrere Vögel am Himmel, die glücklich ihre Bahnen durch die Lüfte ziehen.
Da sieht Norman ein, dass es nicht die Flügel waren, die ihn traurig gemacht haben, sondern die Jacke. Zuhause bestärken ihn seine Eltern, diese nun endlich abzulegen. Voller Freude breitet er seine Flügel aus und steigt hoch empor. Von oben sieht er andere Kinder, die auch dicke Jacken tragen, diese bei seinem Anblick abwerfen und zu ihm hoch fliegen. Norman war noch nie so glücklich und ihm wird klar, dass es „normal“ gar nicht gibt.
Bestärkendes Bilderbuch, das Mut macht
Ganz einfühlsam und leise wird die Geschichte von Norman erzählt, der sich zunächst wie alle anderen gefühlt und gesehen hat. Als er dann eine Besonderheit an sich bemerkt, schämt er sich. Er möchte nicht auffallen, möchte nicht anders, nicht „unnormal“ sein. So unterdrückt er seine Individualität, auch wenn dies ihn immer trauriger werden lässt. Er steht mehr und mehr im Abseits und nur sein treuer Hund begleitet ihn. Auch die Eltern schauen mit besorgten Blicken auf ihr Kind. Als Norman dann endlich merkt, dass seine Besonderheit nicht schlimm ist, sondern das Unterdrücken dieser, kommt das Glücklichsein zu ihm zurück.
Anderen Kindern, die auch ihre Individualität unterdrücken, machen es ihm nach. Das Spiel mit den Farben ist an diesem Buch ganz besonders. Bis auf Norman ist alles schwarz – weiß, schon bevor er sie Flügel bekommt. Die letzte Seite, auf der alle Kinder mit Flügeln durch den Himmel fliegen, ist die einzige, die komplett farbig ist. Eine ganz wunderbares und wertvolles Bilderbuch für Kinder ab 4 Jahren, das in jeden Kindergarten gehört.
Tom Percival, Ganz normal, oder?, aus dem Englischen übersetzt von Sophie Zeitz, Loewe Verlag 2022.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.