„Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens“ Heinz Janisch, Maja Kastelic
Seid ihr auch mit den Märchen von Hans Christian Andersen aufgewachsen? Ich mochte sie schon früher immer lieber als die der berühmten Brüder Grimm. Wenn erzählt wurde, wie der Kaiser sich mit den angeblich schönsten Kleidern stolz der Menge präsentiert und nur die Kinder sich trauen, ihm die Wahrheit zu sagen, ist das schon wunderbar. Oder die Geschichte der kleinen Meerjungfrau, die einem Prinzen nach einem Schiffbruch das Leben rettet und am Ende zu einem Luftgeist wird und so gute Taten begehen kann.
Im wundervoll illustrierten „Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens“ von Heinz Janisch und Maja Kastelic spielen diese Märchen auch eine Rolle, aber eher eine untergeordnete. Denn es geht hauptsächlich um eine andere spannende Geschichte, nämlich die von Hans Christian Andersen selbst, wie er es armer Schusterjunge mit schwieriger Kindheit geschafft hat, zu einem der berühmtesten Schriftsteller seiner Zeit zu werden. Und wie diese ganzen Umstände, die er erleben musste, seine Geschichten beeinflusst haben – sehr interessant für groß und klein!
Darum geht es
Die siebenjährige Elsa ist mit ihrer Mutter auf dem Weg nach Kopenhagen. Zusammen mit ihnen in der Kutsche sitzt ein Mann, der ihr auf Nachfrage hin erklärt, dass er gleichzeitig alt und jung sein, letzteres zumindest im Geiste. Er, Hans Christian Andersen, sei Schriftsteller und schreibt am liebsten Märchen, die dann in Büchern abgedruckt werden. Elsa bittet ihn, ihr eines seiner Märchen zu erzählen und er stimmt mit Freude zu.
Die wahre Geschichte von Hans
Er beginnt mit der Geschichte eines Jungen namens Hans, der keine leichte Kindheit hatte. Der Großvater ging, ein wenig verwirrt, durch die Straßen und verkaufte Holzfiguren Sein Vater war ein armer Schuster, der abends der Familie immer wunderschöne Geschichten erzählte und mit einem selbst gebauten Puppentheater nachspielte. In diesen Geschichten war alles möglich und Hans glaubte, dadurch zumindest in Gedanken fliegen zu können. Nach einem Kriegseinsatz kam sein Vater krank nach Hause und starb kurz darauf. Obwohl Hans nur eine Armenschule besuchen konnte, änderte sich sein Leben, als ein Gastspiel des königlichen Theaters sah. Da beschloss er, Schauspieler zu werden und in Kopenhagen sein Glück zu versuchen.
Mit Mut, Talent und etwas Glück gelingt es Hans, eine kleine Anstellung am Theater zu bekommen. Und dann fängt er an, sich eigene Geschichten auszudenken. Er findet einen reichen Unterstützer, bekommt eine gute Schulbildung und wird mit seinen Geschichten berühmt. Er darf andere Länder bereisen und berühmte Menschen treffen. Und seine Mutter ist sehr stolz darauf, was er alles geschafft hat. Elas hat der Erzählung gebannt zugehört und sie ist auch dahinter gekommen, dass der Hans aus der Geschichte gerade vor ihr sitzt. Uns sie fragt ihn nach seinen anderen Märchen und nach der Verbindung dieser mit seiner eigenen Geschichte.
Die anderen Märchen
Hans denkt nach und ist sich dann sicher, dass viele Märchen eine Verbindung zu ihm haben. Viele seiner Figuren konnten fliegen, mit einem Zauberkoffer oder in kleiner Gestalt auf einem Vogel. Genau so hat sich Hans als Kind oft gewünscht, vor seinen Problemen davon fliegen zu können. Die Prinzessin auf der Erbse ist ebenso empfindsam wie er selbst und auch er, der arme Schustersohn, wurde früher oft verspottet wie auch das hässliche Entlein.
Aber nicht nur seine eigenen Erfahrungen lassen ihn erzählen, er möchte auch mit seinen Märchen anderen einen Spiegel vorhalten. Die höfischen Günstlinge, die er auf seinen Reisen traf, inspirierten ihn zu dem Märchen mit dem Kaiser und seinen neuen Kleidern, die von allen gelobt wurden, obwohl sie nicht existierten. Nur die Kinder trauten sich, die Wahrheit auszusprechen. Elsa hört sich alles begeistert an und findet, dass Hans dich eigentlich auch zaubern können muss, wenn er sich solche Geschichten ausdenkt. Und zusammen versuchen sie, der Kutsche auf zauberhafte Weise Flügel zu verleihen und nach Kopenhagen zu zaubern.
So hat es uns gefallen
Das Buch ist ein wahrer Bilderbuchschatz. Es ist wunderschön illustriert, mal eher in Pastelltönen gehalten, mal in kräftigen Farben und auch mal in schwarz- weiß Tönen. Letzteres ist vorherrschend, wenn er von seiner eigenen Kindheit berichtet, die ebenso von Armut und dem Tod des Vaters geprägt war wie auch von den wunderschönen Geschichten, mit denen sein Vater es zu Lebzeiten schaffte, etwas Freuden in den tristen Alltag zu bringen. Ein ganz faszinierendes Spiel mit den Farben!
Die Geschichte wird sehr feinfühlig erzählt und der Hintergrund hierfür ist wunderbar gewählt: Der Schriftsteller trifft das Mädchen Elsa – Fans der Eiskönigin, die diese Geschichte auch dem Dänen verdanken, werden aufhorchen – in eine Reisekutsche und unterhält sie während der Fahrt. Man kann so vieles hierbei mitnehmen: mit Fantasie ist alles möglich und man kann – zumindest in Gedanken, aus der misslichsten Lage fliehen. Und sicherlich auch noch die Tatsache, dass es sich lohnen kann, mutig zu sein und für den eigenen Traum zu kämpfen, auch wenn viele Hindernisse im Weg stehen.
Wir empfehlen das Buch für Kinder ab 5 Jahren. Man muss die Märchen des berühmten Dänen nicht unbedingt kennen, um sich in diesem Bilderbuch zu verlieren. Wenn man das eine oder andere kennt, hat man aber vielleicht noch einen anderen Zugang dazu.
Ein ganz wunderbares Märchenbuch mit unbekannteren Märchen über starke Frauen haben wir euch hier schon vorgestellt. Vielleicht ist das ja auch etwas für euch.
Heinz Janisch, Maja Kastelic, Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens, Nord Süd Verlag 2020.