„Rätselhafte Ereignisse in Perfect. Hüter der Fantasie“ – Helena Duggan
Ein Buch hat mich in den letzten Tagen sehr gefesselt – und überrascht. Ich hatte gar keine so hohen Erwartungen an „Rätselhafte Ereignisse in Perfect. Hüter der Fantasie“ von Helena Duggan. Es hörte sich ganz nett an, das Cover ist hübsch, also mal anfangen zu lesen. Was dann aber kam – wow! Eine wirklich mitreißende und spannende Geschichte rund um mysteriöse Machenschaften und mutige Kinder, die sich dem entgegen. Für Kinder ab 10 Jahren und auch Erwachsene bester Lesestoff.
Das perfekte Leben gibt es nicht
Neustart mit schlechtem Beigeschmack
Violet ist sauer auf ihren Vater, der mit seinem neuen Job dafür gesorgt hat, dass sie in eine neue Stadt umziehen mussten. Auch ihre Mutter hat nicht richtig Lust dazu, versucht ihr aber immer zu vermitteln, dass es das Beste für die Familie ist. Als sie abends im neuen Haus ankommen, werden sie schon von zwei Männern begrüßt, den neuen Chefs des Vaters. Das Gespräch kommt schnell auf ein Thema: alle Menschen in Perfect bekommen nach kurzer Zeit Probleme mit dem Sehen. Die Sicht wird trübe und ohne eine spezielle Brille sieht man nichts mehr. Violets Vater soll als Augenarzt an diesem Phänomen forschen. Aber sie bekommt es mit der Angst zu tun. Blind werden und eine Brille dagegen brauchen – wie schrecklich! Dann erzählen die beiden unsympathischen Männer noch etwas von einem seltsamen Tee, den man als Ritual jeden Tag in Perfect trinken würde. Der schmeckt so wie der Lieblingsgeschmack eines jeden persönlich und wird auch jetzt zur Begrüßung direkt eingeschenkt.
Alles schön mit Brille?
Schon am nächsten Morgen ist alles anders. Violet kann kaum mehr etwas sehen, ihre Eltern ebenso. Zum Glück stehen die Archer- Brüder bald vor der Tür und nehmen sie mit in ihr Ocularium, ein Ort, an dem sie Brillen für die Bewohner*innen anpassen. Während Violet dort blind sitzt und wartet, flüstert ihr plötzlich jemand etwas in ihr Ohr. Dieser möchte unbedingt ihren Vater sprechen, muss aber sofort fliehen, als die anderen in den Raum kommen. Alle drei bekommen nun eine Brille und können endlich wieder sehen. Doch viel schauen darf sie an dem Ort nicht. Also die aus Zufall eine versteckte Bibliothek mit alten Büchern findet, wird sie scharf von den Brüdern ermahnt.
„Hier in Perfect erwarten wir perfektes Betragen!“, blaffte er.
S. 35
Auf dem Weg nach Hause sind Violets Eltern einfach begeistert, diese schöne Stadt, diese netten Menschen. Auch ihre Mutter, die eigentlich gegen den Umzug war, findet es nun einen Tag später ganz wundervoll. Alles schien fast unwirklich: nirgendwo liegt Müll, alle Häuser strahlen in schönstem Glanz und alle Menschen sehen gepflegt aus.
Schulstart und neue Probleme
In den nächsten Wochen verändert sich Violets Mutter. Sie wird zur „perfekten Hausfrau“, backt viel, sortiert Socken nach Farbe und geht zu einem Damen – Buchclub, ganz anders als früher. Die anderen Kinder, die Violet bis jetzt kennen gelernt hat, sind extrem angepasst und tun alles, was die Erwachsenen ihnen sagen. Mit dem Schulstart wird es auch nicht besser. Violets Mutter ist es unglaublich wichtig, dass sie schick und gepflegt aussieht, denn was sollen die anderen sonst denken. Auch in der Schule sind alle Kinder extrem brav, keiner tuschelt oder schaut aus dem Fenster. Als Violet sich ohne Erlaubnis nach einem Stift bückt und in der Pause einmal anders hüpft als andere, wird sie getadelt und die Eltern informiert. Sie muss einen sehr seltsamen Fragebogen ausfüllen – und immer wieder Tee trinken. Ihr wird eine Krankheit namens AGDS (Anpassungs- Gehorsamkeitsdefizit- Syndrom) attestiert und sie soll täglich Tabletten nehmen.
Boy und die andere Welt
Doch alles wird noch seltsamer, um ein Vielfaches. Denn die Stimme aus dem Ocularium kommt wieder, nachts in ihr Zimmer. Es ist ein Junge, der ihr eine andere Brille gibt und ihr erklärt, dass in Perfect alles nicht mit rechten Dingen vor sich geht. Mit der neuen Brille sieht sie auch, aber anders. Die Straßen sehen schmutziger aus, die Fassade der Häuser bröckelt und es gibt noch viel mehr Menschen in der nahen Umgebung. Die leben hinter großen Mauern versteckt, im Niemandsland. Sie dürfen das Gebiet nicht verlassen und lebten vorher einmal in Perfect. Dort passten sie nicht hinein, aus welchen Gründen auch immer und mussten die Stadt verlassen. Von ihren Familien scheinen sie vergessen worden zu sein und auch die anderen Menschen in Perfect wissen nicht von ihnen.
Als auch noch Violets Vater verschwindet, die Mutter immer seltsamer wird und geheimnisvolle Männer im Haus auf Violet warten, um etwas bei ihr „einzustellen“, ist klar, dass sie etwas tun muss. Und das heißt: keinen Tee mehr, keine Tabletten mehr und zusammen mit Boy so viel wie möglich über die Brüder Archer herausfinden!
Eine fesselnde, rosarote Welt
Schon nach wenigen Seiten wird man hellhörig. Eine Stadt, in der man blind wird und nur mithilfe einer speziellen Brille wieder sehen kann? In der alles perfekt zu sein scheint, höfliche Menschen, brave Kinder, hübsche Häuser. Aber auch eine Stadt, in der man bei nur der kleinsten Regelmissachtung harte Sanktionen sowie Medikamente bekommen. Und in der sich Menschen ganz anders verhalten als in ihrem früheren Leben. Das alleine ist schon eine wirklich spannende und rätselhafte Story. Es geht aber noch weiter, und zwar mit den Menschen im Niemandsland, die von den Oberen von Perfect dort eingesperrt worden. Damit muss sich Violet auseinandersetzen, die schnell nach dem Umzug Sorge um ihr eigenes Leben und das ihrer Eltern bekommen muss. Ihr zur Seite steht Boy, ein geheimnisvoller Junge aus dem Niemandsland, der sie überhaupt erst mit dieser Welt vertraut macht. Zusammen mit ihm stellt sie sich dem Geheimnis, setzt sich mutig über die Regeln hinweg und wagt so einiges. Die Geschichte startet schon fesselnd, wird aber spannender und spannender – und endet mit einem Cliffhanger. Man setzt sich selbst beim Lesen nach und nach einige Puzzlestücke im Kopf zusammen und hofft so, dem Geheimnis ein Stück näher zu kommen. Ein großer Lesespaß! Wir sind auf jeden Fall gespannt auf den nächsten Teil.
Helena Duggan, Rätselhafte Ereignisse in Perfect. Hüter der Fantasie, aus dem Englischen von Ulrike Köbele, Loewe Verlag 2021.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.