„Und was fühlst du, Känguru?“ – Nora Imlau, Lisa Rammensee
Vor vier Jahren habe ich im Buch „So viel Freude, so viel Wut“ von Nora Imlau zum ersten Mal von gefühlsstarken Kindern gelesen und mich bzw. meine Kinder in sehr vielen Punkten wieder gefunden. Starke Wutanfälle, Traurigkeit, die sich schnell mit Freude abwechselt und das alles manchmal mit einer Heftigkeit, dass alle Beteiligten davon überrollt zu werden scheinen. In „Und was fühlst du, Känguru?“, illustriert von Lisa Rammensee, bekommen all diese Gefühle ihren Platz. Und das ist bestärkend und hilfreich für Klein und Groß.
Das kleine Känguru Quirin ist schon früh am Morgen wach und weckt voller Freude den Rest der Familie. Für ihn ist ganz wichtig, dass alle rasch aufstehen, sonst kommen ihm die Tränen. Wenn das passiert, auch wegen anderen Situationen, dann weint er oft sehr viel und heftig – ein ganzes Tränenmeer.
Nach den Tränen kann es aber ganz schnell gehen, dass er sich wieder freut und fröhlich ist. Nach dem Frühstück erinnert Quirins Mama daran, dass es bald los geht und er sich fertig machen soll. Das mag er gar nicht und spielt lieber für sich ganz in Ruhe in seinem Zimmer. Dort gibt es noch so viel zu tun! Die Rufe der Eltern werden drängelnder und das kleine Känguru fühlt, wie Wut in ihm hoch steigt. Er schreit laut „Nein!“, wirft wütend mit Dingen um sich – und fühlt sich danach leer und allein. Er möchte gar nicht immer herum wüten und möchte auch eigentlich los gehen, aber trotzdem ist es schwer.
Draußen ist Vieles laut und voll, dazu zwickt auch noch die Jacke und es fühlt sich unangenehm an – gar nicht so einfach. Vor Quirins Tür steht nun seine Mutter, nimmt ihn in den Arm und er berichtet ihr von seinen Sorgen. Sie hat eine gute Idee: wenn er sich so fühlt und alles zu laut und schnell ist, kann er in ihren Beutel kriechen, bis er dafür bereit ist. Das ist er auch bald! Quirin springt heraus, läuft auf den Spielplatz und stürzt sich ins Getümmel. Falls es ihm wieder zuviel wird, kann er immer wieder zurück in den Beutel, eine Pause machen.
Die in Reimform geschriebene Geschichte lässt uns empathisch am Alltag der Familie und vor allem an der Gefühlswelt des kleinen Kängurus teilhaben. Und die ist ganz schön komplex! Große Freude kann schnell in Wut umschlagen, die Gefühle überrollen das Kind unvermittelt, ohne dass es das „so richtig“ unter Kontrolle haben kann. Das kann anstrengend sein, aber auch ganz wundervoll, wenn mit Riesenfreude gespielt und gelacht wird. Quirins Eltern verurteilen nach dem Wutanfall nicht, sondern reagieren mit einem offenen Ohr, einer Umarmung und ganz viel Nähe. Viel zu fühlen ist nichts Negatives, alles wird so angenommen, wie es nun mal ist. Für ein Pappbilderbuch haben wir hier schon einiges an Text. Für Kinder unter 3 Jahren kann man vielleicht noch mehr mit den wundervollen ausdrucksstarken Illustrationen „arbeiten“, falls das noch zu viel ist.
Nora Imlau, Lisa Rammensee, Und was fühlst du, Känguru?, Carlsen Verlag 2022.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.