„Calypsos Irrfahrt“ – Cornelia Franz

Heute haben wir für euch ein Buch für Kinder ab 10 Jahren, das keine leichte Kost ist, aber trotzdem – oder gerade deswegen – definitiv lesenswert ist. Und das nicht umsonst mit dem Hamburger Literaturpreis in der Kategorie Kinder- und Jugendbuch ausgezeichnet wurde.

Zwei Kinder mehr an Bord

Rettung auf offener See

So einen langweiligen Urlaub hätte sich der zehnjährige Oscar nicht gewünscht. Vier Wochen zusammen mit seinen Eltern und ihrem alten Hund auf einem kleinen Segelboot – puh! Doch ganz plötzlich ist es nicht mehr langweilig, denn sie sehen mitten auf dem Meer zwei Kinder, die in einem Rettungsring treiben. Schnell holen sie sie beiden zu sich ins Boot, den Jungen Moh, um die sechs Jahre alt und seine Schwester Nala, in Oscars Alter. Die Kinder sind erschöpft, sehr hungrig und erholen sich den nächsten Tag zumindest ein wenig von den Strapazen, die sie anscheinend hinter sich haben. Oscars Eltern können ein wenig auf französisch mit den beiden kommunizieren. Das Schiff, die Calypso, steuert den nächsten Hafen auf Kreta an, doch vom Hafenmeister kommt nur eine klare Ansage: die Kinder dürfen auf keinen Fall an Land, Flüchtlinge möchte man nicht aufnehmen.

Wohin mit den Kinder?

Oscars Eltern beschließen, erst einmal weiter zu fahren und kaufen schnell noch einige Sachen für die beiden Kinder. Auf See taut Nala ein wenig auf und spielt mit Oscar Uno, Moh bleibt sehr schweigsam und freundet sich ein wenig mit dem Hund an. Nach und nach erfährt man etwas mehr über die Geschwister. Sie kommen aus dem Kongo, waren schonmal mit einem LKW unterwegs, die Mutter ist vor längerer Zeit verstorben, der Vater vor Kurzem. Die Odyssee der Calypso geht unterdessen weiter: an jedem neuen Hafen wird ihnen mehr oder weniger freundlich gesagt, dass man die Kinder nicht aufnehmen könne.

Mal dürfen sie, nach etwas Bestechung, mit den Kindern an Land, etwas anschauen und mal in ein Restaurant, mal müssen sie längere Zeit an Bord bleiben. In einer italienischen Stadt scheint es plötzlich Hoffnung für eine Aufnahme zu geben. Nala und Moh merken das auch, möchten nicht abgegeben werden und verstecken sich. Oscar ist auch klar, es geht auf keinen Fall, dass die beiden nun wieder in ein Aufnahmelager gegeben werden. Wie die Geschichte ausgeht? Das müsst ihr selber lesen!

„Hast du keine Angst, weil wir allein sind?“ „Ich habe keine Angst. Wir sind ja zu zweit. Ich passe auf dich auf und du auf mich.“

S.

Eine Geschichte, die berührt

Puh, diese Geschichte lässt niemanden kalt und alle sicherlich mit vielen Gedanken und Fragen zurück. Zwei Waisenkinder treiben auf dem offenen Meer, hungrig und verängstigt. Und eine Familie, die eigentlich einen ruhigen Segelurlaub verbringen wollte, steht nun vor der Frage: Was machen wir mit den beiden? An allen Häfen, die sie anlaufen, hören sie das Gleiche, denn niemand möchte die Kinder haben. Das freut Oscar mehr und mehr, weil er die beiden Kinder wirklich lieb gewonnen hat. Die Eltern ebenso, aber in ihnen tobt ein Gewissenskonflikt: nach den Regeln handeln oder auf ihr Herz hören. Und die beiden Geflüchteten? Die schwanken auch zwischen Trauer, Angst und Freude über die neue Familie. So nennen sie die beiden im Stillen. Die kurzen Dialoge der beiden Geschwister, die immer wieder in den Fließtext eingebaut sind, berühren ganz besonders. Beide sind eng miteinander verbunden und geben sich Halt in der fürchterlichen Situation.

Umso schöner ist das Ende, denn die beiden haben tatsächlich eine neue Familie und ein sicheres Zuhause gefunden. Leider geht es vielen Geflüchteten nicht so! Es ist umso wichtiger, dass deren Schicksal nicht in Vergessenheit gerät! Ich kann mir das Buch auch sehr gut als Lektüre für die Schule vorstellen, aber auch für Erwachsene bringt es wichtige Impulse zum Nachdenken über das immer noch mehr als aktuelle Thema. Wir empfehlen es für Kinder ab 10 Jahren, bei denen dann sicherlich einiges an Fragen und Redebedarf aufkommt. Aber das ist ja gut so.

Cornelie Franz, Calypsos Irrfahrt, Carlsen Verlag 2021.

Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.