„Manchmal muss man Pferde stehlen“ – Antonia Michaelis
Ein Buch hat mich in der letzten Zeit sehr berührt – die Geschichte einer besonderen Freundschaft und einer abenteuerlichen Suche. In „Manchmal muss man Pferde stehlen“ von Antonia Michaelis lesen wir von einem Mädchen, das so gut wie nie mit anderen spricht, und einem Jungen, der aus seiner Heimat fliehen musste und nun seinen großen Bruder sucht.
Eine ungewöhnliche Freundschaft
Für Tariq gibt es kaum etwas Schöneres als Pferde. Zuhause in Afghanistan hatte er ein Pferd, auf dessen Rücken er sich frei wie der Wind fühlen konnte. Auch sein Vater war ein guter Reiter und konnte so mit seinem Pferd fast fliegen. Nun ist sein Vater nicht mehr da und Tariq lebt in einem Heim in Deutschland. Die Kinder in seiner Klasse können seine Gefühle und Gedanken nicht verstehen, machen sich über ihn lustig – und bekommen deswegen die eine oder anderer blutige Nase. Tariq kann nicht anders und muss sich irgendwie verteidigen – er hat so viel erlebt. In seiner Klasse ist auch Anna, die dort noch nie ein Wort gesprochen hat. Einzig mit ihrem Vater und mit Tieren redet sie.
Beide Kinder treffen sich außerhalb der Schule zufällig an einer Wiese, auf der zwei Pferde stehen. Anna möchte sich und ihrem Vater nach einer missglückten Reittherapiesitzung etwas beweisen. Tariq möchte seinen Bruder Jamal suchen, der irgendwo in einem anderen Heim lebt und braucht für die Reise ein Pferd. Zudem hat er eine starke Sehnsucht nach den Tieren. Es folgen erste Reitversuche, geglückt wie nicht geglückt, Ärger in der Schule und im Heim und ein immer größer werdender Drang nach Freiheit. Eines nachts beschließt Tariq, endgültig los zu ziehen, in die Stadt seines Bruders – und die sonst so schüchterne Anna kommt mit, zusammen mit den beiden Pferden.
Traumatische Kriegserfahrungen, ein schwieriges Ankommen im neuen Land, Sorge um den Bruder, Ärger mit den Behörden und Mobbing in der Schule. Tariq hat es nicht einfach. Mit Anna hat er eine Freundin gefunden, die ebenfalls sehr mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hat. Sie vertrauen und verstehen sich gegenseitig, was viel wert ist. Sehr tiefgründig erfahren von den Ängsten der beiden und wie sie versuchen, damit umzugehen. Beide wachsen einem beim Lesen schnell ans Herz. Mal muss man lachen, mal fast weinen. Wer hier ein „typisches“ Pferdebuch erwartet, wird schnell feststellen, dass deutlich mehr dahinter steckt. Trotzdem spielt Tariqs große Liebe zu den Tieren, die ihm in schweren Zeiten stets geholfen hat, immer wieder eine Rolle. Ein beeindruckendes und mitreißendes Buch für Kinder ab ca, 10 Jahren.
Antonia Michaelis, Manchmal muss man Pferde stehlen, Oetinger Verlag 2022.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.