
„Die Bibliothek der wahren Lügen“
Selbst Geschichten zu schreiben, Fantasiewelten zu erfinden und Gefühle und Erlebnisse auf das Papier zu bringen, ist eine faszinierende Angelegenheit. Und eine, die gelernt werden will. Als ein vierzehnjähriger Junge sich zu einem Schreibkurs bei seinem Lieblingschriftsteller aufmacht, ahnt er nicht, welche Welten er betreten wird. „Die Bibliothek der wahren Lügen“ von Jesús Canadas ist eine ungewöhnliche und sehr komplexe Geschichte, die mitreißend und schon etwas düster ist. Man darf hier keinen „typischen“ Jugend – Fantasyroman erwarten, wie das Cover vielleicht vermuten lässt, sondern eine faszinierende, ganz besondere Geschichte über Schreiben und Fantasiewelten für alle ab 11 Jahren.

Der letzte Tag des Schuljahres läuft, wie auch schon die vielen Tage davor, nicht gut für Oskar – obwohl es sein vierzehnter Geburtstag ist. Die anderen Kinder ärgern ihn wieder und zuhause wartet der neue Freund seiner Mutter, der auch nicht wirklich freundlich zu ihm ist. Zum Glück hat Oskar noch seine kleine Schwester und seine geliebten Bücher, die immer für ihn da sind und ihm mit den Fanatsiewelten eien Zuflucht geben. Zufällig liest der Junge eine Anzeige für ein Gewinnspiel. Dabei muss man sich eine besonders gute Lüge ausdenken, um ein Treffen mit Simon Bruma zu gewinnen. Das ist sein absoluter Lieblingsautor und auch ein Vorbild für ihn, wenn er sich wieder an das Schreiben von eigenen Geschichten setzt. Oskar staunt nicht schlecht, als er tatsächlich diesen Wettbewerb und damit ein Stipendium für einen Schreibkurs bei Bruma gewinnt – ohne sich daran erinnern zu können, seine Lüge abgeschickt zu haben.

Der Autor steht auch selbt vor seiner Tür und bringt den Jungen in sein altes Herrenhaus, das einen etwas finsteren und gruseligen eindruck auf ihn macht. Dort lebt auch Brumas Tochter November, die gleich einen kränklichen und sehr wortkrag – unfreundlichen Eindruck auf Oskar macht. Zusammen mit ihrem Vater erklärt sie ihm, warum er bei ihnen ist. Es gibt einen besonderen Ort, an dem Magie existiert, mit deren Hilfe Geschichten erschaffen werden. Dorthin können nur Erzähler gelangen – und Bruma meint, dass Oskar auch einer von ihnen ist. Er soll nun mit der besonderen Magie einer Geschichte die magisch erkrankte November wieder heilen. Also muss Oskar schreiben – und gelangt mitten in diese Geschichte hinein, was nicht ganz ungefährlich ist.

Zu Beginn lesen wir eine lineare Geschichte, bis zu dem Zeitpunkt, als Oskar selbst zu Stift und Papier greift. Sein Schreibkurs wird ganz anders als erwartet, er muss nicht nur auf seine Kreativität hoffen, sondern auch in der viel Mut beweisen. Mal lesen wir also die von ihm geschriebene Geschichte, mit der er November retten soll, mal die Rahmenhandlung darum herum. Das macht das Leseerlebnis an der einen oder anderen Stelle etwas herausfordernd, ist aber zugleich auch eine intensive und beeindruckende Leseerfahrung. Die Geschichte ist eine Hommage an das Lesen und Schreiben, teils düster und etwas bedückend, aber auf eine fesselnde und berührende Art und Weise.
Jesús Canadas, Die Bibliothek der wahren Lügen, aus dem Spanischen von Elisabeth Leuthardt, Coppenrath Verlag 2025.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.