Philosophieren mit Kindern: „Wird denn hier keiner wütend?“
Wut ist ein großes Thema bei einem Großteil der Familien und viele von euch können bestimmt auch ein Lied davon singen. Schon Erwachsene haben manchmal Schwierigkeiten damit, Wut zu kontrollieren. Für Kinder ist das natürlich noch viel schwieriger. Das mächtige Gefühl kann sie überrollen und ganz schön heftig werden, ist aber auch wichtig für die kindliche Entwicklung. Wut soll nicht einfach unterdrückt oder „herunter geschluckt“ werden, aber trotzdem soll gelernt werden, diese im Laufe der Zeit besser in den Griff zu bekommen. Das neue „Wird denn hier keiner wütend?„* von Toon Tellegen und Marc Boutavant ist ein ganz besonderes Buch zu dem Thema, das in zehn verschiedenen Geschichten aus ganz unterschiedlicher Perspektive betrachtet wird.
So viele Facetten der Wut
Die Feuerkröte hat heute richtig schlechte Laune und lässt das bei den anderen Tieren aus! Als der Igel ihr freundlich die Tür öffnet, geht sie auf ihn zu und reißt ihm die Stacheln aus. Weiter geht es zur Schnecke, der die den Fühler fies umdreht und zum Elefanten, dem sie einen Knoten in den Rüssel macht. Bei jedem Tier fragt sie die Tiere „Wie nennst du das, wie du dich jetzt fühlst?“. Die Kröte möchte, dass ihr Gegenüber richtig wütend wird, aber nie scheint es für sie zu passen, nie spürt sie richtige Wut. Zusammen überlegten die geärgerten Tiere auch, ob sie denn überhaupt richtig wütend werden können.
In der zweiten Geschichte sitzt das Eichhörnchen traurig in seiner Wohnung, weil die Ameise auf eine Reise gegangen ist und vielleicht nie wieder kommt. Es fragt sich nun, ob alles traurig werden kann, Lebewesen wie Dinge. Und tatsächlich, die Wände antworten ihr, dass sie auch traurig seien, und wütend, weil die Ameise fort ist! Wir treffen noch im weiteren Verlauf auf eine Schlange, die immer wütend ist und genau deswegen noch wütender ist und auf eine Grille, die den Bären eigentlich wegen einiger Eigenarten nicht einladen mag, dann aber dennoch genau das mit Freude tut. Eine Gottesanbeterin ärgert sich über einen Riss in ihrem guten Mantel und noch viel mehr, bis sie merkt, dass man auch alleine mit einem souveränen Auftritt (und ohne schicken Mantel) sehr elegant sein kann.
Die Ameise wiederum wacht an einem regnerischen Tag auf und spürt, dass die Wut bei ihr ist und auch nicht weg geht. Sie ringt mit der Wut, spürt sie in ihrem Kopf, zertrümmert einen Stuhl – bis das Eichhörnchen an der Tür klingelt. Als es fragt, ob es mit hinunter zum Fluss kommen möchte, spürt die Ameise, dass die Wut verschwindet. Das wird ein schöner Tag!
So komplex ist die Gefühlswelt
Die Geschichten über die Wut der Tiere sind nicht ganz einfach zu verstehen und sicherlich auch nicht etwas für jede Familie oder für kleine Kinder. Sie erinnern ein wenig an alte Fabeln und sind wunderbar zum Philosophieren mit Kindern geeignet. Es geht vor allem in der ersten Geschichte recht rabiat zu und es besteht nach dem Vorlesen wahrscheinlich Redebedarf. Auch einige der anderen Geschichten sind so metaphorisch geschrieben, dass die Kinder es vielleicht nicht ohne Nachbesprechung ganz verstehen. Aber genau darin liegt auch die Stärke des Buches: es regt zum Nachdenken und Diskutieren über dieses wichtige Gefühl an. Es sind aber keine Geschichten zum entspannten Vorlesen vor dem Schlafengehen. Die feinen Illustrationen sind wunderschön anzusehen und transportieren eine ganz besondere Stimmung, genau passend zu den tiefen Gefühlen der Tiere. Wir empfehlen dieses Buch für Kinder ab 6 Jahren und für den Einsatz zum Philosophieren mit Kindern.
Wenn ihr Bücher zum Thema Wut sucht, die ein wenig leichter lesbar und auch für jüngere Kinder nutzbar sind, dann schaut euch mal „Wenn ich wütend bin“ oder den wunderbaren „Grolltroll“ an.
Toon Tellegen, Marc Boutavant, Wird denn hier keiner wütend?, Hanser Verlag 2021.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.
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