„Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“
Rosafarbene Kleider, Glitzer, Krönchen, Feen und Balletttanz auf der einen, wilde Ninjas, Dinosaurier und Fußball auf der anderen. Geht man durch die Geschäfte oder schaut durch die Serien, scheint die Aufteilung meist noch ziemlich eindeutig zu sein. Das eine mögen Mädchen, das andere Jungen – so meinen es etliche zumindest. Es wird zum Teil, zumindest was den Buchmarkt angeht, seit einigen Jahren besser und wir finden mehr Bücher, die diese Geschlechterklischees nicht bedienen und sogar mit ihnen spielen. Das Vorlesebuch „Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge“ von Nils Pickert und Lena Hesse ist eines davon!
Über zwei Kinder, die sich gefunden haben
Mara ist ein echtes Seeräubermädchen, das wissen sie und ihr Papa schon lange. Zum Geburtstag gab es einen Säbel und eine Augenklappe und ihr essen holt sie sich am liebsten mit einem Enterhaken vom Tisch. Milo hingegen mag es gerne, in einem Prinzessinnenkostüm durch die Wohnung zu tanzen und und Ballettgeschichten vorgelesen zu bekommen. Was hat er sich gefreut, als er einen Elfenzauberstab und ein Glitzerkleid von seinen Eltern zum Geburtstag bekommen hat! Nur manchmal ist er traurig, wenn ihn andere wegen seiner Vorliebe auslachten. Eines Tages treffen sich die beiden Kinder zufällig auf einem Spielplatz, wo Mara auf einem Holzschiff schon die Segel gesetzt hat. Milo hingegen geht sofort zur Schaukel, die er mit den mitgebrachten bunten Bändern ganz wundervoll verziert. Denn genau das hatte ihm vor einiger Zeit die Angst vor dem Schaukeln genommen.
Nachdem sie sich vom Weitem etwas beäugt haben, geht Mara auf ihn zu und fragt, ob sie dort auch einmal schaukeln darf. Natürlich stimmt Milo zu – und möchte auch einmal auf ihr Schiff. Beide spielen schön zusammen, bis Maras Vater zum Essen ruft. Dieser ist es auch, der nun eine gute Idee hat. Wenn die Kinder hier noch so schön spielen, kann er doch das Essen zum Spielplatz holen und alles essen gemeinsam. Milos Eltern stimmen begeistert zu und von da an sind die beiden Kinder beste Freund*innen. Sie treffen sich jeden Tag und haben die allerbesten Spielideen, bis der Tag kommt, an dem Mara für zwei Wochen in den Urlaub fahren möchte. Was soll Milo bloß so lange ohne sie machen? Wie der Urlaub für Mara wurde, warum das erste Treffen danach etwas seltsam für alle war und wie es doch wieder wunderbar wurde, das müsst ihr dann selbst lesen.
Keine Chance für Geschlechterklischees
Jedes Kind sollte damit spielen, was ihm oder ihr Spaß macht und sich so verhalten, wie es zum eigenen Selbst passt – völlig unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit. Mädchen dürfen wild herumtoben und Jungen sensibel, verträumt und vorsichtig sein. Die sonst so oft den Geschlechtern zugeschriebenen Rollen werden hier genau umgedreht, wobei man natürlich gleichzeitig wieder zu den üblichen Klischees greift. Aber es geht wohl nicht anders, um die Botschaft für Kinder ab 5 Jahren zu verdeutlichen.
Mara und Milo ergänzen sich trotz ihrer so unterschiedlichen Art ganz wunderbar und sind bald unzertrennlich. Auch Milos Eltern sind immer für ihren Sohn da und unterstützen ihn in allem, was er sich wünscht. Im Gegensatz zum anderen Vater, erfährt man sonst nichts über ihren Alltag/Arbeit. Dass er wegen seiner Kleidung und seines Spiels im Kindergarten ausgelacht und ausgegrenzt wird, wird zu Beginn kurz erwähnt. Mara scheint nirgendwo mit ihrer Art anzuecken.
Ganz selbstverständlich sieht man in diesem Buch auch den alleinerziehenden Vater und die Cousinen, die zwei Mütter haben. Die zuhörenden Kinder können sich schnell mit den beiden sympathischen Hauptfiguren identifizieren und leiden mit, wenn sie sich so vermissen. Die vielen ausdrucksstarken Illustrationen können auch begeistern und sind für große wie kleine Leser*innen sehr ansprechend. Das Buch eignet sich wunderbar, um das Thema Geschlechterklischees im Kindergarten anzusprechen.
Nils Pickert, Lena Hesse, Seeräubermädchen und Prinzessinnenjunge, Carlsen Verlag 2022.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.