„Der kleine Raubdrache: Das vorschriftsmäßige Rauben von Prinzessinnen“
In den meisten Geschichten ist es klar: Prinzessinnen sind eher hilflos, werden von Rittern gerettet und heiraten diese dann im besten Fall. Wenn auch noch ein Drache in der Geschichte vorkommt, dann ist er meist bösartig, bedroht die Menschen und muss bekämpft werden – ist doch klar. An diese Rollenverteilung haben sich auch die meisten Protagonist*innen in „Der kleine Raubdrache: Das vorschriftsmäßige Rauben von Prinzessinnen“ gewöhnt. Ein kleiner Drache findet das alles irgendwie ziemlich seltsam und auch eine Prinzessin gibt sich nicht mit der ihr zugeschriebenen Rolle zufrieden. Ein unterhaltsames Buch für Kinder ab 5 Jahren von Dagmar H. Mueller, illustriert von Sabine Rothmund.
Drache und Prinzessin – so will es die Tradition
Der kleine Drache ist heute zusammen mit seiner Klasse und dem Lehrer unterwegs, um sich eine echte Prinzessinnenrauberei anzuschauen. Denn das muss gründlich gelernt sein, das ist allen klar! Man wartet auf eine Kutsche, erschreckt den Kutscher und schnappt sich die Prinzessin. Diese wird in das wunderschöne Drachendorf gebracht, wo sie in einer Zelle auf ihren Prinzen wartet, der sie rettet. All dieses ist seit vielen Jahren eine eingespielte Sache, Drachen wie Menschen kennen das Prozedere und wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Denn eines ist klar: ohne das alles würden Prinz und Prinzessin nicht zusammen finden. Das alles ist bis ins Kleinste im großen Drachenhandbuch festgeschrieben, das als Pflichtlektüre gilt. Natürlich hat die Prinzessin es gut bei den Drachen. Die Höhle ist schön eingerichtet, sie hat genug Haarbürsten und Taschentücher dort und bekommt immer frische Blumen.
Ein kleiner Drache aber beginnt das Ganze ein wenig zu hinterfragen. Warum soll er sich mit Schwertern schwingenden Rittern herum schlagen, nur damit die heiraten können? Ein wenig gerät er sogar mit seinem Lehrer in Streit darüber. Da er aber auch noch Dienst an den Prinzessinnenhöhlen hat, bleibt ihm dafür gar nicht viel Zeit, denn er muss sich um Prinzessin Poppy kümmern, die gerade angekommen ist. Diese ist richtig froh, geraubt worden zu sein, denn sie wartet dringend darauf, dass ihr Prinz Harik seine Liebe gesteht. Ganz anders ist es mit der zweiten Prinzessin, die bald nachkommt. Caramella hält überhaupt nichts von diesen alten Bräuchen und möchte bloß nicht von einem Prinzen gerettet werden. Sie findet es auch ziemlich überflüssig, ständig hilflos in Taschentücher zu weinen und sich nur mit Frisuren und sticken zu beschäftigen. Aber das Drachendorf – das findet sie spannend! Was die Drachen dazu sagen?
Die ganze Idee hinter der Geschichte ist sehr amüsant: fast alle Akteure handeln nach uralten Traditionen, so wie sie durch die Bücher überliefert werden. Durch die ganze Rauberei möchten die Drachen den Menschen nur helfen und haben ihren ganze Alltag auf diese Aufgabe ausgerichtet. Eine sehr selbstbewusste Prinzessin pfeift aber auf alle Klischees und bringt viel neuen Schwung in die alten Sitten. Mit viel Witz, einigen Schimpfworten (aber kindgerecht) und vielen bunten Illustrationen ist das ein schöner Vorlesespaß für Kinder ab 5 Jahren.
Dagmar H. Mueller, Sabine Rothmund, Der kleine Raubdrache: Das vorschriftsmäßige Rauben von Prinzessinnen, Coppenrath Verlag 2022.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.