„Kinder unterm Hakenkreuz. Wie wir den Nationalsozialismus erlebten“
Gegen das Vergessen! Es ist eine immens wichtige Aufgabe, immer wieder an die deutsche Geschichte zu erinnern. An die Ereignisse, die sich in den 1920er Jahren so langsam anbahnten, dann 1939 im Zweiten Weltkrieg gipfelten und unendliches Leid über Millionen Menschen brachten. Man kann und soll auch schon mit Kindern über das Thema und den Nationalsozialismus sprechen – allerdings erst ab einem gewissen Alter und mit sehr viel Bedacht.
Hierzu braucht es geeignete, kindgerechte Materialien, die es schaffen, den Kindern die Ereignisse deutlich zu machen, sie aber trotzdem nicht mit grauenhaften Bildern, die auch ein Erwachsener kaum aushalten kann, verstören.
Frank Schwieger gelingt dies mit seinem Kinderbuch „Kinder unterm Hakenkreuz. Wie wir den Nationalsozialismus erlebten“, das mich schwer beeindruckt hat. Ich habe es meinem politisch und historisch sehr interessierten Zehnjährigen vorgelesen. Vor diesem Alter würde ich es wohl eher nicht einsetzen. Hier dann auch nur mit Begleitung, und nicht kommentarlos zum Selberlesen. Wir lesen in diesem 285 Seiten starken Buch über das Schicksal von zehn ganz unterschiedlichen Kindern, die in jeweils anderen Gegenden wohnen und andere gesellschaftliche Hintergründe haben. Doch sie alle haben gemeinsam, dass der Aufstieg der Nationalsozialisten und die nachfolgenden Ereignisse ihr Leben und das ihrer Familie nachhaltig beeinflusst haben – obwohl sie doch einfach nur Kind sein wollten. Das alles ist chronologisch aufgebaut und es gibt immer mal wieder einige Seiten mit zusätzlichen Erklärungen und Sachinformationen.
Zehn Kinder berichten aus ihrer Perspektive
Das erste Kind berichtet aus seiner eigenen Perspektive über die Ereignisse im Frühjahr 1933, kurz nachdem Hitler und die NSDAP an die Macht gekommen sind. Die letzte Geschichte wird von einem Mädchen im Frühjahr 1945 erzählt, welches das Glück hatte, aus einem Konzentrationslager befreit zu werden. Ein Kind erlebt, wie vor dem Geschäft ihrer Nachbarin von Männern in braunen Hemden zu einem Boykott aufgerufen wurde, nur weil diese Jüdin ist. Drei Jahre später berichtet ein Zehnjähriger aus seiner Zeit bei der Hitlerjugend, seinem ersten Zeltlager und den widersprüchlichen Gefühlen die er hat, weil einige seiner Klassenkameraden nicht dort teilnehmen.
Ein Kind nimmt in einer Novembernacht 1938 eine Nachbarfamilie bei sich in der Wohnung auf, als die Nationalsozialisten die benachbarte Synagoge anzünden und auch die Wohnung der Nachbarn völlig verwüsten. Wir lesen von zwei jüdischen Kindern, die sich in den Niederlanden auf dem Bauernhof einer netten Familie über Jahre verstecken und erfahren etwas über ein kleines Dorf in en französischen Bergen, in dem die DorfbewohnerInnen mit großem Mut und Herz vielen Kindern das Leben retten.
Ein Sechszehnjähriger berichtet von seinem Leben im Ghetto in Warschau und ein Vierzehnjähriger erlebt den durch Bombenangriffe ausgelösten Feuersturm vom Hamburg mit, bei dem viele tausend Menschen ihr Leben ließen. Ein dänisches Kind flieht zusammen mit anderen Juden über die Ostsee in das sichere Schweden und vier andere Kinder machen sich zusammen mit ihrer Mutter auf die äußerst beschwerliche und gefährliche Reise von Ostpreußen in den Westen, weg von er Roten Armee.
Ein sehr bewegendes, historisch gut recherchiertes Buch, das wir definitiv jedem ans Herz legen können. Auch ein Einsatz im Schulunterricht ist sehr gut vorstellbar, auch noch in den höheren Klassen
Frank Schwieger, Kinder unterm Hakenkreuz. Wie wir den Nationalsozialismus erlebten, dtv Verlag 2023.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.