Kindersachbuch zum Thema Flucht: „Wir mussten flüchten“
Ein Ereignis hat das Leben meiner Großmutter ganz entscheidend geprägt: zusammen mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter hat sie sich als Kind für lange Zeit auf der Flucht befunden. Weg aus Ostpreußen, der geliebten Heimat, die sie danach nie wieder gesehen hat. Es ist schwer vorstellbar, wie ein sein muss, wenn man alles zurücklassen muss und nur ein wenig von seinem Hab und Gut für den Weg in das neue Leben einpacken kann.
Dass Menschen fliehen, vor Kriegen, Umweltereignissen oder aus anderen Gründen, gibt es schon seit langer Zeit und auch heute ist das Thema wieder sehr aktuell. Schon Grundschulkinder haben viele Fragen dazu und kommen durch neue MitschülerInnen in ihren Klassen auch direkt mit dem Thema in Kontakt.
In „Wir müssen flüchten. Was es bedeutet, die Heimat zu verlassen und irgendwo neu anzufangen“, dem neuen Buch von Christoph Drösser und Nora Coenenberg, wird Kindern ab 8 Jahren altersgerecht dieses schwierige Thema näher gebracht. Im ersten Teil des Buches wird zunächst grundlegend geklärt, was Flucht überhaupt bedeutet. Dabei lernt man nicht nur die Gründe dafür kennen, warum Menschen fliehen, sondern schaut auch auf die Zahlen der aktuellen Fluchtbewegen. Natürlich wird auch ein kurzer Blick in die Vergangenheit geworfen, auf Fluchtbewegungen vor einigen hundert Jahren und auf das 20. Jahrhundert, das auch als das Jahrhundert der Flucht bezeichnet wird. Immer sind auch sehr viele Kinder davon betroffen.
Um besser nachvollziehen zu können, was das für ein Kind bedeutet, lesen wir hier die persönliche Fluchtgeschichte von einzelnen Kindern. So auch die von der fünfjährigen Amena, deren Vater mit ihr und ihrem Bruder die Flucht aus Syrien wagte und dann mitten auf dem Meer in einem überfüllten Boot in Not geriet. Auch die 14 – jährige Shamshidah aus Myanmar musste ihr Land verlassen, weil ihre Volksgruppe Verfolgungen ausgesetzt ist. Sie versucht nun in Malaysia viel zu lernen und hat das Glück, in die Schule einer Hilfsorganisation zu gehen. Wir bekommen auch einen Einblick darin, wie es sich in einem Flüchtlingslager lebt und was zum Beispiel in Deutschland mit Geflüchteten geschieht, sobald sie das Land erreicht haben.
Begriffe wie Asyl und Integration werden erklärt und es gibt ein paar hilfreiche Tipps, wie man selbst auf geflüchtete Kinder in der Schule zugehen kann. Besonders gelungen sind auch die „Stimmt das wirklich?“ Seiten gegen Ende des Buches, auf denen typische Vorurteile in den Blick genommen werden. Das Buch endet mit den kurzen Biografien von berühmten Geflüchteten. Obwohl das Thema so komplex ist, gelingt es hier durch kindgerechte Texte, lebensnahe Beispiele und eine direkte Ansprache an die Kinder, es sehr gut greifbar zu machen.
Christoph Drösser, Nora Coenenberg, Wir mussten flüchten, 2023.
Das Buch wurde uns vom Verlag für eine Rezension zur Verfügung gestellt.